Konzept

Ein Partnertandem entsteht durch das Anbieten und Suchen von Zusammenarbeit per Videokonferenz und Internet.

Tandems können sowohl für eine Unterrichtsstunde gebildet werden (Mikromethode), als auch für einen längeren Zeitraum bestehen (Makromethode). Bei der Durchführung eines Partnertandems über einen längeren Zeitraum geht es besonders darum, dass sich die Tandempartner gegenseitig in ihrem Lernprozess unterstützen und sich Rückmeldungen geben (z. B. zu den Hausaufgaben). Grundsätzlich unterstützen sich die Beteiligten, indem sie…

  • sich gegenseitig ergänzen (unterschiedliche Erfahrungen, Kenntnisse oder Aufgaben),
  • sich bei Problemlösungsaufgaben, Entscheidungssituationen und Bewertungsvorgängen beraten,
  • sich gemeinsam auf eine Gruppenarbeit vorbereiten,
  • sich über ihre Eindrücke und Meinungen austauschen,
  • ihren Lernprozess durch die gemeinsame Arbeit reflektieren.

Quelle: https://www.bpb.de/lernen/angebote/grafstat/partizipation-vor-ort/155247/partnertandem

Details

Projekte und Gesprächskreise mit begleitetem Tandemlernen bieten sich als Ergänzung zu Deutschkursen für Fortgeschrittene ab dem B1-Niveau des Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmen für Sprachen (GER) an.

Dieses Level könnte man mit einem fortgeschrittenen Anfängerniveau beschreiben. Wer dieses Niveau noch nicht erreicht hat, sollte zuvor passende Kurse besuchen, z. B. bei Volkshochschulen: https://deutsch.vhs-lernportal.de/wws/9.php#/wws/deutsch.php

Wer in Deutschland arbeiten oder studieren möchte, benötigt gute Sprachkenntnisse. Damit man eine Ausbildung beginnen kann, ist ein Nachweis auf B2-Niveau erforderlich, für den Studienbeginn wird das C1-Niveau des GER erwartet. Quelle: https://www.europaeischer-referenzrahmen.de/sprachniveau.php

Wer in seinem Herkunftsland Deutsch als Fremdsprache gelernt hat benötigt oft zusätzliche praktische Erfahrung mit deutschen Muttersprachlern, um sich bei der Arbeit oder dem Studium in Deutschland zurecht zu finden. Oft bieten die standardisierten Sprachkurse der Volkshochschulen oder privater Lehrinstitute nicht genügend Anwendungsmöglichkeiten, weil bei den üblichen Gruppengrößen für den einzelnen Schüler nur wenige Minuten pro Stunde bleiben, um selbst Deutsch zu sprechen und Feedback von Lehrern oder Mitschülern zu erhalten.

Wer in einem Lehrberuf oder in der Alten- und Krankenpflege arbeiten möchte, benötigt echte Sprachpraxis mit Muttersprachlern, welche möglichst auf ähnlichen Gebieten Erfahrung haben und bereit sind, diese zu teilen. Bei Videokonferenzen ist der Standort von Gesprächspartnern unerheblich.

Der Initiator dieser Plattform hat mehrjährige Erfahrung in Sachen Weiterbildung für Gruppen bei denen ein großer Teil Deutsch als Fremdsprache spricht. Zusätzlich zum eigentlichen Weiterbildungsthema  geht es auch um die Verbesserung der Sprachkenntnisse der Zuwanderer.
Diese Erfahrungen lieferten den Grundgedanken zum Lernen an Projekten unter Einsatz der Tandem-Methode.

Es gibt sogar ein erfolgreich abgeschlossenes eigenes Fallbeispiel zur Makromethode:

Yuan XUs Masterstudium beginnt mit einer frustrierenden DSH-Sprachprüfung in Kassel

Die Geschichte: 2017 kam der chinesische Student Yuan XU nach Kassel, um dort eine DSH-Sprachprüfung abzulegen. Das DSH-Zeugnis oder ein gleichwertiges Zertifikat ist Voraussetzung zur Immatrikulation an einer Hochschule, falls man nicht Deutsch als Muttersprache spricht. Yuan hatte gerade erfolgreich seinen Bachelor-Abschluss in Elektrotechnik an einer chinesischen Elite-Hochschule erhalten und sich damit für ein Masterstudium in Deutschland qualifiziert. Trotz der Kenntnis von mehr als 1000 deutschen Vokabeln bestand er die DSH-Prüfung nicht. Es fehlte die Praxis, um sich fließend mit deutschen Muttersprachlern zu unterhalten. Yuan musste seinen Eltern die Mitteilung machen, dass sie seinen Aufenthalt in Deutschland für mindestens ein weiteres Jahr finanzieren müssen. Das bedeutet zusätzliche Kosten in Höhe von ca. 10.000 Euro. Nach deren OK besuchte Yuan für 6 Monate einen B2-Intensivkurs beim Kasseler Sprachlehrinstitut IFS und für ein weiteres Semester einen C1-Kurs (DSH-Level) beim Sprachenzentrum der Universität Kassel: https://www.uni-kassel.de/einrichtung/isz-/-sprachenzentrum/dsh. In beiden Veranstaltungen bemerkte er, dass man in Klassen mit ca. 20 Schülern und Studenten zu selten Gelegenheit hat, seine neu erworbenen Deutschkenntnisse anzuwenden. Die Hälfte der Zeit redet der Lehrer und so bleiben täglich nur Minuten, in denen der einzelne Schüler Deutsch sprechen muss. Diesen Umstand schilderte er seinem Zimmervermieter Konrad. Der ist der Autor dieses Beitrages und Initiator dieses Projektes. Beruflich ist Konrad Rennert Online-Dozent für Computerkurse und Produzent von Erklärvideos bei YouTube. Er ist im Jahr 1954 geboren, aber immer noch lernbegierig und offen für neue interkulturelle Erfahrungen.
Konrad schlug Yuan XU ein gemeinsames Projekt im Internet vor. Yuan nahm es dankend an. So konnten auch Yuans Eltern in Südchina miterleben, wie ihr Sohn mit deutschen Muttersprachlern diskutierte und am Sprachprojekt arbeitete. Das Gemeinschaftswerk kann seitdem im Internet besichtigt werden: https://talking.bluepages.de/internationale-studenten-bessere-worte
Die von Konrad und Yuan erprobte Vorgehensweise kann von jedem anderen Sprachtandem auf andere Themen und Fremdsprachen übertragen werden. Wer Ukrainisch oder Russisch als Muttersprache hat, tut sich mit Sicherheit nicht schwerer als der Chinese Yuan. Voraussetzung: Der „Nicht Muttersprachliche Tandempartner“ hat schon Fremdsprachenkenntnisse auf dem B1-Niveau des GER. Dieses wurde Yuan beim Start seiner Sprachstudien  in Kassel bescheinigt.

Die fachliche Seite und damit die Anwendung von Fachjargon passte bei Konrad und Yuan gut zusammen. Konrad hat vor 40 Jahren ein Physikstudium abgeschlossen und Yuan hat 2017 in China die Bachelorprüfung in Elektrotechnik bestanden. Die Zusammenarbeit war trotz des Altersunterschieds von 40 Jahren im Tandem von Yuan und Konrad eine WIN-WIN-Situation. Konrad freute sich über interkulturellen Austausch mit einem chinesischen Ingenieur und Yuan konnte bei seinem Wechsel nach Karlsruhe fließender Deutsch sprechen als 5 Semester später nach bestandener Masterprüfung am KIT. Weil es funktionierte und den Beteiligten Spaß machte, nahm man einen weiteren Gesprächspartner hinzu. Dieser war vor seinem Renteneintritt Architekt und sehr belesen. Er diskutierte in vielen Videokonferenzen mit Yuan die Aufgaben zur Vorbereitung der DSH-Prüfung. Am Ende ergänzte man noch eine gemeinsam geplante Lernplattform mit weiteren Erklärvideos und Selbsttests: https://bluepages.moodlecloud.com/course/view.php?id=3 Mit dem Benutzernamen a und dem Kennwort a können Besucher der Lernplattform den Sprachfortschritt im 3. Erklärvideo sehen. Wieder wurden die Drehbücher und die Bearbeitung der Erklärvideos vom chinesischen Tandempartner übernommen. Die beiden deutschen Muttersprachler waren am Ende die Lektoren, welche Formulierungen verbesserten. Danach übernahm Yuan noch die Übersetzung der deutschen Dialoge mit chinesischen Untertiteln und die Erstellung von Vokabelsammlungen. Das Tandem war im geschilderten Fall eine ideale Ergänzung des Frontalunterrichts am IFS und im Sprachenzentrum der Universität Kassel.

Selbstverständlich bestand Yuan daraufhin die DSH Sprachprüfung für den Hochschulzugang. Einige Wochen später startete er sein Studium der Elektrotechnik am Karlsruher Institut für Technologie. Er legte dort 2021 die Masterprüfung erfolgreich ab und arbeitet jetzt in Shenzen, der Nachbarstadt von Hongkong. Nach der Corona-Pandemie will er heiraten und mit seiner Frau seinen ehemaligen Vermieter und Tandempartner in Kassel besuchen.

Ein Nachtrag zur Nachhaltigkeit von Videokonferenzen

Fazit

Derartige Tandem-Projekte werden auch mit ukrainischen Student:innen oder Lehrer:innen oder Menschen anderer Nationalitäten gelingen. Es ist unerheblich, wo sich die Beteiligten aufhalten, solange das Internet bei ihnen funktioniert. Den Lernzielplan für Yuans Deutschstudium lieferte das Kasseler IFS und das Sprachenzentrum der Universität. Dort verbrachte er ca. 600 Stunden in Intensivkursen. In das geschilderte Tandemprojekt investierte Yuan  zusätzlich ca. 100 Stunden. Davon entfiel fast die Hälfte auf Videokonferenzen zur Besprechung der nächsten Schritte und der Planungen.

Yuan und Konrad haben gemeinsam interkulturelle Erfahrungen gesammelt und sich fachlich ausgetauscht. Über Politik und heikle politische Themen in China sprach Konrad seinen Tandempartner nicht an. Chinesen wollen nicht das Gesicht verlieren, wenn die Situation für sie peinlich wird. Yuan wird mit seinen analytischen Fähigkeiten erkannt haben, dass Europäer viele Freiheiten haben, die es in China nie geben wird.

In Deutsch-Ukrainischen-Tandems sollte der deutsche Partner weder Flucht noch Zerstörung thematisieren. Es sei denn, man ist ausgebildeter Therapeut in der Traumabewältigung. Wenn der ukrainische Partner das Gespräch möchte, liefert das mit Sicherheit viele Möglichkeiten zur Erweiterung der Sprachpraxis. Junge Ukrainer haben eine gute Bildung in den MINT-Fächern und kennen sich mit den Sozialen Medien sehr gut aus.

Viele junge ukrainische Menschen können deutsche Tandempartner kompetent beraten wenn es um den Ausbau digitaler Kompetenzen geht. Windows, Word, Excel, PowerPoint, Access und die Programmiersprachen werden auch in der Ukraine eingesetzt. Trotz anderer Beschriftungen in Fremdsprachen ist die Funktionalität bei Standardsoftware wegen der Icons (Symbole in den Menübändern) sehr ähnlich und kann dem Tandempartner gut erklärt und beschrieben werden.

Auch bei Fremdsprachen haben Ukrainer einiges zu bieten. Fast die gesamte Bevölkerung beherrscht Russisch beinahe so wie eine Muttersprache, weil man oft mit Russen verwandt oder verschwägert ist.

Für einen interkulturellen Austausch kann man neben den Muttersprachen auch die englische Sprache zulassen. Irgendwann ist jeder Krieg vorbei und man kann sich gegenseitig besuchen, so wie es Yuan aus China mit seinen deutschen Tandempartnern plant; sofern die Corona-Pandemie vorbei ist und noch keine  chinesische Spezialoperation auf Taiwan begonnen hat.